Doch unsere Ahnenväter ließen sich nicht beirren. Sie hielten Versammlung um Versammlung ab und klärten die Bevölkerung über die Missstände in der damaligen Gesellschaft auf. Nachdem sich am 8. Dezember die Sektion Starnberg aus dem Sozialdemokratischen Wahlverein München, dem noch Machtelfing und Tutzing angehörten, als ein eigener Ortsverein Starnberg ausgelöst hatte, begann die große Zeit von Georg von Vollmar, der viele Jahre hindurch Reichstags- und Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis München 11, zu dem auch der Wahlbezirk Starnberg gehörte, war. Damals war diese Doppelspurigkeit als Reichs- und Landtagsabgeordneter noch möglich. In zahllosen Reden vor der Bevölkerung – vor allem in Tutzing – versuchte der große Mann der bayerischen Sozialdemokratie, die Wähler von dem Gedankengut der SPD zu überzeugen und war damit äußerst erfolgreich. Es gelang ihm damals nämlich mehrfach, seinen Gegenkandidaten von der zur selbigen Zeit fast allmächtigen Zentrumspartei zu schlagen. Und das will etwas geheißen haben! Die größte Aktivität im Leben des Starnberger Ortsvereins um die Jahrhundertwende stellte man – wie sollte es auch anders gewesen sein – immer kurz vor den Wahlen fest. Da jagte eine Wählerversammlung die andere.
Wörtlich sagte Herr Knieriem auf einer Rede in Starnberg – und er spricht damit wohl noch so manchem echten Sozi von heute aus dem Herzen: „Auf der einen Seite herrscht Luxus und Schwelgerei, auf der anderen Not und Elend, obwohl wir alle Ebenbilder Gottes und gleichberechtigt sind“; Der große Kampf der Sozialdemokraten zu den damaligen Zeiten galt der Einführung des Acht-Stunden-Tages und der sozialen Besserstellung des Arbeiters. Knieriem sagte unter anderem auch: „Die Arbeitszeit muss verkürzt, die Acht-Stunden-Arbeit muss eingeführt werden, und die übrige Zeit muss der Arbeiter auf seine eigene Bildung, auf die bessere Erziehung seiner Kinder und auf die Hebung seiner körperlichen und geistigen Kraft verwenden können“. Als Gegenredner hatte man damals keinen geringeren als den Zentrums-Reichtagsabgeordneten Biehl aus München und den Stadtpfarrprediger von St. Peter, A. Gilg, ebenfalls aus München, aufgeboten. Ein Beweis dafür, wie ernst damals schon das Auftreten von Sozialdemokraten in Starnberg genommen wurde. Kein Wunder, dass die Gegenredner den Referenten und die Sozialdemokratie überhaupt mit Vorwürfen überschütteten und dessen Ausführungen als Phrasen und Lügen abqualifizierten. Immerhin musste der Münchner Pfarrherr zugeben, „dass die Zustände, wie sie geschildert wurden, zum Teil richtig sind“. Gefehlt sei es allerdings, davon in Starnberg zu reden, und ein Acht-Stunden-Tag könne die Lage nicht verbessern, „sondern eher verschlimmern“. Die Presse äußerte in ihrem Bericht über diese Versammlung den Wunsch, „dass Herr Knieriem nie mehr als sozialistischer Wanderapostel zu unserer Bevölkerung redet“. So waren die Zustände damals.
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