Trotzdem: Die Starnberger Genossen von damals – und deshalb sind sie wirklich zu bewundern – gaben und gaben nicht auf. Selbst wenn man nicht selten auf den Straßen mit den Fingern nach ihnen zeigte – sie beschritten unbeirrt ihren Weg der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit weiter, obwohl dies in immer stärkeren Maße mit den Gefahren für das persönliche Wohlergehen verbunden war. Am 14. September 1930 sollte ein neuer Reichstag gewählt werden, nachdem der alte aufgelöst worden war. Der Wahlkampf, der außerordentlich hart, vor allem von Seiten der Nationalsozialisten, geführt wurde, brachte zahlreiche Saalschlachten, bei denen es manch‘ zerbrochenen Bierkrug und manch‘ blutigen Schädel gab. Noch in der Nacht vor der Wahl kam es in Starnberg zwischen Sozialdemokraten und Nationalsozialisten zu einem Zusammenstoß, wie der „Land- und Seebote“ berichtet. Das Wahlergebnis: Erneute Zunahme der Nazis und der Kommunisten. Fazit: eine weitere Radikalisierung des Volkes.
Auch nach den Wahlen ebbten die Feindseligkeiten nicht ab. Ein Bericht über die weithin bekanntgewordene Murnauer Saalschlacht vom 1. Februar 1931 aus dem „Land- und Seeboten“ mag für zahllose Ereignisse dieser Art in jener Zeit kennzeichnend sein: Die sozialdemokratische Partei hatte in der Gaststätte Kirchmair (Murnau) für Sonntagnachmittag eine Versammlung einberufen, in der Landtagsvizepräsident Auer sprach. Die ‚Münchner Post‘ berichtete tags zuvor: Hakenkreuzler wollen die Versammlung sprengen! Sonntagnachmittag kamen zirka 100 uniformierte Reichsbannerleute des Sturm-13-München nach Murnau. Diese Truppe wurde durch schätzungsweise 200 weitere Anhänger der SPD aus Starnberg, Tutzing, Weilheim und Peißenberg verstärkt. Der Saal war für die vielen Menschen zu klein, und so zog ein Teil zum Griesbräu ab, wo anschließend … eine zweite Versammlung abgehalten werden sollte. Der erste Teil der Versammlung verlief programmmäßig. Auer sprach, nur wenige Zwischenrufer wurden laut. Zur Diskussion meldete sich der Nationalsozialist Engelbrecht. Auch er konnte seine Diskussion bis zum Schlusse durchführen. Als seine Rede in ein ‚Heil Hitler!‘ ausklang, platzte die Bombe. Was nun folgt, spielte sich rasend rasch ab. Einige Pfuirufe, einige Nationalsozialisten – nur 40 bis 50 waren im Saal – stimmten das ‚Horst-Wessel-Lied‘ an, der erste Stuhl und der erste Bierkrug flogen, worauf eine wahre Schlacht einsetzte. Bierkrüge und Kaffeegeschirr prasselten einige Sekunden nieder, dass es wie Hagelschlag anzuhören war. Hernach kamen die Stühle an die Reihe, selbst mit Tischen wurde zugeschlagen … Gummiknüttel, Stahlruten und Totschläger traten in Aktion … in zehn Minuten war die ganze Einrichtung zerschlagen, der Boden mit Blut bespritzt … Von nationalsozialistischer Seite war, wie wir dazu erfahren, der Befehl ausgegeben worden, mit 240 SA-Mann den Diskussionsredner der NSDAP zu schützen. Die verstärkt anwesende Polizei war machtlos. 13 zerschlagene Menschen – zehn davon sind Nationalsozialisten und drei Reichsbannerleute – sind zu beklagen.“ Das war die Situation.
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